Das zart schmelzende Glück
Gute Schokolade ist schlichtweg ein Hochgenuss. Ich rede hier nicht von industriell hergestellter Massenware, die manch einer auch als Genuss deklarieren würde. Wahrscheinlich aus dem einfachen Grund, dass er oder sie wirklich gute Schokolade noch nie gegessen hat, behaupte ich. Diese gute Schokolade meine ich. Sie wird zumeist von kleineren Betrieben hergestellt. Die Kakaobohnen werden einzeln selektiert, schonend geröstet, gewalzt, conchiert, abgetafelt und verpackt. Das machen die großen auch, aber der wichtigste Schritt passiert schon viel früher: auf der Plantage, sogar schon am Kakaobaum, an oder in der Kakaoschote. In der Kakaoschote befinden sich die Kakaobohnen, der Samen der Kakaofrucht. Aus diesen am Anfang weißen, glibberigen Bohnen entsteht das braune Gold: unsere heißgeliebte Schokolade. Bis aus der Kakaobohne Schokolade wird, muss sie viel über sich ergehen lassen. Komm mit auf diese Reise in zumeist exotische, warme Länder rund um den Äquator, wo der Kakaobaum wächst.
Theobroma Cacao – Der Name des Kakaobaumes
Diesen Namen (altgriechisch Götterspeise) erhielt der Kakaobaum 1753 von Carl von Linné. Die Pflanze wächst rund um den Äquator und kommt ursprünglich aus Peru. Der Kakao wurde über die Inkas bis nach Mexiko gebracht. Für sie war der Kakao das höchste Gut, nicht das Gold nach dem die Eroberer suchten. Kakaobohnen wurden als Zahlungsmittel verwendet und für Opfergaben an die Götter genutzt. Aus den Bohnen wurde der berühmte Xocoatl Trank zubereitet, aus Kakaobohnen, Gewürzen und Wasser. Milch und Zucker kannten die Maya nicht, erst die Spanier brachten Kühe mit in die Neue Welt.
Woher kam die erste Tafelschokolade?
Sie wurde 1847 von Joseph Fry in Bristol erfunden. Henri Nestlé erfand mit Daniel Peter 1875 die Milchschokolade und Rudolphe Lindt fügte Kakaobutter der Kakaomasse hinzu, conchierte sie und entdeckte den zarten Schmelz. Die Hersteller wurden immer erfindungsreicher und entwickelten alle möglichen Sorten an Schokolade: gefüllt, mit Nuss, mit Gewürzen und vielem mehr. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert, im Gegenteil die Sortenvielfalt ist enorm.
Was macht den Unterschied? Warum schmeckt diese Schokolade anders und viel besser? Weil sie aus sorgsam behandelten Zutaten hergestellt wird: Kakao und Zucker, eventuell Kakaobutter, bei Milchschokolade zusätzlich noch aus Milchpulver.
Ist Kakao nicht gleich Kakao?
Nein, denn es gibt verschiedene Kakaosorten und diese müssen richtig verarbeitet werden. Kakaoschoten wachsen am Stamm des Baumes (Kauliflorie) und verbreiten sich dann mit dem Alter der Bäume weiter nach oben. Die Schale ist so dick wie beim Kürbis. Dies ist überlebensnotwendig, da sich bei tropischen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit viele Insekten und anderes Getier über die Pflanzen hermachen und an den köstlichen Inhalt der Früchte wollen: die Kakaobohne, umhüllt von ihrer süßen Pulpe. Um die Kakaoschoten zu schützen, werden sie teilweise mit luftdurchlässigen Beuteln ummantelt . Anderenfalls kann bis zu 80% der Schoten schon am Baum kaputt gehen, durch Tierfraß, Schimmel oder eine Krankheit. Kakao ist empfindlich, besonders die Edelsorten.
Die Nachernte ist das A und O
Die Pulpe, das Fruchtfleisch enthält Hefe und Zucker, so dass sofort nach dem Öffnen der Schoten eine natürliche Gärung anfängt und mehrere Tage andauert. Die Schoten werden erst am Sammelplatz geöffnet und, für guten Kakao, sortiert. Sie werden vom Strunk getrennt, nach Größe und Zustand eingruppiert, getreu dem Motto: die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. Für Edelschokolade werden nur die besten Bohnen verwendet, vollfleischig und ohne offensichtlichen Schaden. Während der Fermentation entstehen die Aromen des Kakaos, für gute Schokolade der wichtigste Schritt. Alles was hier schief oder nicht optimal läuft, schmecken wir später in der Schokolade, besonders in der dunklen Schokolade mit hohem Kakaoanteil. Ein Koch hat mir mal gesagt: Du kannst aus einem Filetsteak eine Schuhsohle machen, aber niemals aus einer Schuhsohle ein Filetsteak. So ist es hier auch. Für die optimale Fermentation werden die Kakaobohnen in treppenartige Holzboxen gegeben und alle 2 oder 3 Tage von oben nach unten umgefüllt, damit Luft drankommt. Du wirst es nicht glauben, aber man schmeckt den Unterschied, ob die Bohnen kurz oder lang und mehrmals gewendet wurden oder nicht. Probiere die Schokoladen von Mikkel Friis-Holm aus Dänemark: Chuno Double und Triple Turned oder die beiden Rugoso Tafeln, eine davon heißt Bad Fermentation. Krak Chocolade aus Holland hat eine 70% Jahrgangsschokolade, Mexico Soconusco 2018 70% Cacao, die 6 Tage fermentiert und dabei einmal täglich gewendet wurde. Eine andere Schokolade von ihm wurde aus einem Cacao of Excellence aus Madagascar von der Mava Sa – Ferme D’Otange hergestellt. Es werden jährlich nur ca. 50 Plantagen mit dieser Auszeichnung versehen.
Die Kakaobohnen für Supermarktschokoladen kommen meistens aus Ghana und von der Elfenbeinküste, wo die Haufenfermentation angewandt wird. Hierbei werden die Kakaobohnen aus den Schoten entnommen, nicht unbedingt vom Strunk getrennt, nicht sortiert und auf einem Haufen, ohne Wendung, fermentiert. Sie fermentieren dadurch ungleichmäßig, die weniger fermentierten Bohnen können ihre Aromen nicht oder kaum entfalten. Dies bedeutet keinenfalls, dass es in den beiden Ländern nicht auch guten Kakao gibt, den gibt es sehr wohl, aber nicht für die Massenproduktion.
Die Trocknung ist der nächste Schritt. Hier ist das Wenden und der Schutz vor zu heißer Sonne und vor Regen wichtig, damit die Bohnen nicht verbrennen bzw. nicht wieder nass werden, dann besteht Schimmelgefahr. Nach ca. 10 Tagen ist es so weit, die Kakaobohnen werden in Jutesäcke verpackt und auf die Reise geschickt. Meistens in die westlichen Industrieländer, inzwischen gibt es immer mehr Schokoladenhersteller in den Anbauländern von Kakao.
Es gibt eine Hand voll Exporteure auf allen Kontinenten, die sich auf Edelkakao spezialisiert haben und ihn säckeweise, nicht containerweise, also in sehr kleinen Mengen an die Bean-to-Bar Hersteller verkaufen. Diese bezahlen für guten Kakao aus der ganzen Welt den drei- bis vierfachen Preis über dem Weltmarktpreis. Nur daraus kann preisgekrönte Schokolade entstehen. Bean-to-Bar bedeutet von der Bohne bis zur Tafel stellt der Hersteller seine Schokolade her.
Der Schokoladenhersteller röstet die Kakaobohnen nach seinem eigenen Rezept: lange oder nur kurze Zeit, bei höherer oder niedrigerer Temperatur. Das ist seine Handschrift, unvergleichbar und einzigartig. Danach wird die Schale von der Kakaobohne entfernt, sie ist bitter und daher unerwünscht in der Schokolade.
Die berühmte Conche
Nach dem Rösten werden die Kakaobohnensplitter, auch Nibs genannt im Mélangeur mit dem Zucker vermischt und conchiert. Wer hat’s erfunden? Rudolphe Lindt im Jahre 1879. In der Conche wird die Masse geknetet und gerührt bis sie flüssig ist und sich hierbei weitere Aromen entfaltet. Manche Hersteller conchieren bis zu 30 Tage, manche nur ein paar Stunden bis die Partikel der Masse so fein vermahlen sind, dass sie auf der Zunge nicht mehr spürbar sind und der zarte Schmelz entsteht. Auch hier gibt es unterschiedliche Meinungen und Verfahren. Rudolphe Lindt hat, so sagt man, vergessen die Maschine vor dem Wochenende abzustellen und am Montag die Schokoladenmasse probiert und mit Erstaunen die Veränderung bemerkt. Er hat es geschafft sein Geheimnis 20 Jahre lang zu wahren. Heute wüsste die ganze Welt schon nach 20 Sekunden davon.
Was macht richtig gute Schokolade aus?
Gute Schokolade hängt von der Qualität der Kakaobohnen ab, von der Nachernte, der Röstung und Conchierung. Wenn die Kakaobauern nicht genügend Geld für Ihre Ware bekommen, können sie sich nicht um die aufwändige Nachernte kümmern und die Hersteller bekommen nicht die Qualität, die sie benötigen, um die besten Schokoladen der Welt zu produzieren. Die Cru Sauvage von Clement Chococult wird aus wild wachsenden Kakaobohnen aus Bolivien hergestellt, die 60 Stunden lang conchiert wird. Eine meiner Lieblingsschokoladen ist die Cuzco 80 mit 80% Kakaoanteil von Cacaosuyo aus Peru. Sie wurde bei den International Chocolate Awards 2020/21 mit Weltgold für die beste dunkle Schokolade ausgezeichnet.